Die Zwerglibelle ist Libelle des Jahres 2018

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Gesellschaft der deutschsprachigen Odonatologen (GdO) haben die Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) zur Libelle des Jahres 2018 gekürt.

Die Zwerglibelle, der Gnom unter den heimischen Libellen – „klein aber wo“.Neh-speciosa_hp

Die Zwerglibelle steht stellvertretend für eine Gruppe von Libellenarten, die sehr selten sind und sehr spezialisiert an besondere Moorlebensräume gebunden sind.

Die Art ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Dies hat aber weniger mit ihrer geringen Körpergröße zu tun, obwohl man sie an den besiedelten Standorten auch rasch übersehen kann. Vielmehr liegt es aber daran, dass ihre oft auch nur sehr kleinen Lebensräume ganz besondere Standortbedingungen aufweisen, die in unserer heutigen Landschaft extrem selten sind. Die wenigen bekannten Standorte liegen aufgrund dieser Besonderheit zudem in Schutzgebieten und sind nicht öffentlich zugänglich.

In Deutschland kommt die Zwerglibelle aktuell nur (noch) in sechs Bundesländern vor: Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen. In vier weiteren Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) ist sie verschollen und aus den restlichen Bundesländern gibt es auch keine historischen Hinweise auf ein Vorkommen.

Neben der natürlichen Seltenheit ergibt sich bei der Zwerglibelle und ökologisch verwandten Arten heutztutage eine zusätzliche Gefährdung der Standorte durch übergeordnete meist durch den Menschen negativ beeinflusste Faktoren wie das Klima und den atmosphärischen Eintrag von Nährstoffen. Gerade letzterer bewirkt in den natürlicherweise nährstoffarmen Mooren u.a. eine Veränderung der Konkurrenzsituation der dort lebenden Arten. Dabei ist die Zwerglibelle an ganz besondere und ebenso kleine und feine Pflanzen und Vegetationseinheiten gebunden, die durch eine Eutrophierung verloren gehen, da sie von stärkeren Pflanzen bei geeigneter Nährstoffzufuhr verdrängt werden.

Gleichzeitig gibt die Zwerglibelle den Libellenkundlern auch immer noch Rätsel auf. Oft sind Populationen von kleinsten Flächen bekannt, die aber über Jahre Bestand haben und sehr stabil scheinen, obwohl die Bestände insgesamt nur wenige Individuen umfassen. Zudem stellt sich die Frage, ob und wie die zierliche Art neue Standorte besiedelt. Trotz des – aufgrund historischer Daten – nachweislichen Rückgangs kommt es andererseits auch aktuell noch zu Neu- oder Wiederfunden. So konnte die Art erst vor wenigen Jahren für das Bundesland Sachsen wiederentdeckt werden (Walter 2012). Allerdings ohne das klar festzustellen war, ob es ein Neufund ist oder die Art am Standort vielleicht über Jahre übersehen bzw. schlicht nicht gesucht wurde.

Auch in den benachbarten Niederlanden gelang 2015 ganz überraschend ein Nachweis einer kleinen Population im Osten des Landes, der letzte Nachweis davor lag über 100 Jahre zurück (Nieuwsbrief Vlinderstichting NL, 11. April 2016).

Die Dynamik und Stabilität der Populationen sowie die Mechanismen möglicher Ausbreitung sind dringliche Fragestellungen für die Forschung zum nachhaltigen Schutz der Zwerglibelle und weiterer vergleichbarer Arten.

Die Zwerglibelle steht auch symbolisch dafür, dass es bei den heimischen Libellen begründeten Forschungsbedarf für Experten gibt, auch wenn die betroffenen Arten für die meisten von uns unsichtbar bleiben!

Für die GdO e.V. Klaus-Jürgen Conze

Walter, S. (2012): Wiederfund der Zwerglibelle Nehalennia speciosa (Charpentier 1840) in Sachsen (Odonata). Entomologische Nachrichten und Berichte 56: 252